
Theaterkarten online buchen. Das ist bequem und funktioniert rund um die Uhr!
Gilt aber leider nicht für Rollstuhlkarten. Denn diese können meist nur per Telefon (oder vor Ort) gebucht werden.
Auf der Website der Hamburger Elbphilharmonie heißt es zum Beispiel: Bei der Onlinebestellung ist die Auswahl von Rollstuhlplätzen nicht möglich.

Rollstuhlkarten sind bei der Elphi und in der Laeiszhalle nicht online buchbar.
Auch bei den städtischen Bühnen in Kiel (Theater Kiel) können Tickets selbstverständlich online gebucht werden. Aber auch hier werden Rollstuhlfahrer auf andere Kanäle verwiesen:
Das Buchen von Rollstuhlplätzen bedarf einer persönlichen Beratung durch das Kassenpersonal. Bitte buchen Sie bitte unter !
Update zu den städtischen Bühnen (17.5.2019): Karten fürs Schauspielhaus und fürs Opernhaus sind ab sofort über den Webshop buchbar!
Der Ausschluss vom Onlinebuchungssystem – den immer noch die meisten Häuser im Land praktizieren – ist aus vielerlei Hinsicht bedauerlich. Hier gleich drei Gründe:
- Ungleichbehandlung I: Alle sind online. Alle buchen online. Rollstuhlfahrer allerdings müssen zum Telefon greifen! Das ist nicht nur ein Medienbruch, sondern funktioniert auch nicht rund um die Uhr.
- Ungleichbehandlung II: Die Möglichkeit, die Tickets kostengünstiger per Print @home zu beziehen, gilt nicht für Gäste mit Mobilitätseinschränkung. Rollstuhlfahrer zahlen den höheren Preis.
- Ungleichbehandlung III: Oft sind die Vor-Ort Kassen nicht zugänglich. Die Konzertkasse Streiber in der Holstenstraße in Kiel beispielsweise verfügt über eine Stufe. Unüberwindbar für einen Gast mit Rollstuhl.
Das Argument “Man kann ja online nicht überprüfen, ob es sich wirklich um eine berechtigte Person handelt” führt in der Konsequenz dazu, dass Menschen mit Mobilitätseinschränkung – wie zum Beispiel Rollstuhlfahrer – vom Onlinekauf ausgeschlossen werden. Das ist nicht nur schade, sondern als Begründung schlicht nicht nachvollziehbar. Denn die Berechtigung kann an der Abendkasse einfach nachgeprüft werden.
Hier ein Zeugnis auf Twitter, wie mühsam und frustrierend es ist, ein Rollstuhlticket online zu bekommen:
Versuche seit einer Stunde Konzertkarten für einen Rollstuhlplatz zu bestellen. Es ist anstrengend. Es ist kompliziert. Es ist von Veranstalter zu Veranstalter unterschiedlich. Es nervt!
— Anastasia Umrik (@AnastasiaUmrik) 4. Februar 2019
Wo ist die Inklusion?
Auch das Argument “Dann kaufen sich Leute (unberechtigterweise) Rollstuhlplätze und wundern sich dann darüber, dass es keine Bestuhlung gibt” ist zwar unterhaltsam. Es sollte aber nicht dazu führen, dass das digitale Buchungssystem für Rollstuhlfahrer unzugänglich bleibt.
An dieser Stelle hilft vielleicht eine Analogie zum Straßenverkehr. Ein ausgeschilderter Parkplatz für Menschen mit Behinderung ist frei nutzbar für alle Personen, die berechtigt sind. Eine Regelung, die vor der Nutzung eine telefonische Kontaktaufnahme vorsieht, die die Berechtigung überprüft, ist nicht vorgesehen. Es wäre zugegebenermaßen ziemlich absurd. Warum – so darf man fragen – hat sich dieses System bei Rollstuhlkarten durchgesetzt?
EVENTIM bemüht
Der größte deutsche Ticketvertreiber (und Marktführer in Europa) schreibt auf seiner Website:
Wir bemühen uns stets, auch Rollstuhlfahrerplätze anbieten zu können. Diese sehen Sie dann standardmäßig im Bereich der Bestplatzbuchung eingeblendet, sofern welche vorhanden sind.
Deshalb unserer Wunsch und unsere Aufforderung an die Theater und Veranstalter in Kiel und im Land: Macht eure Abläufe kompatibel für Gäste mit Rollstuhl und schaltet auch die Rollstuhlfahrerplätze frei für das digitale Buchungssystem!
Hier die Diskussion auf dem Facebook Account von @Raul Krauthausen) ansehen:
Bildquelle Elphilharmonie: Alexander Svensson – flickr
P.S. Ausschlaggebend für diesen Beitrag war das Bemühen, Karten für die Vorstellung “Das Dschungelbuch” im Kieler Schloss zu bekommen. Online war es nicht möglich. Dann am Telefonhörer mit Eventim gab es keine barrierefreien Karten. Die gäbe es nur direkt bei Liberi. Einen Tag warten, denn Liberi sitzt am Wochenende nicht am Telefon. Am Montag ein freundliches Telefonat mit dem Unternehmen, dass auch das Musical produziert hat und die Kartenbestellung war erfolgreich! Auch ohne zusätzliche Versandkosten – diese wurden aus Kulanz nicht erhoben.
P.P.S. Im Januar 2019 wurden Rollstuhlkarten für ein Konzert in der Elbphilharmonie gebraucht. Das geht dort nur per Telefon oder vor Ort. Die Hotline ist aber ständig belegt. Alle wollen in die Elphi… Schlußendlich gab es dann Tickets via Telefon. Aber es war eine kleine Odyssee. Wir haben uns beschwert und verschiedene Stellen eingeschaltet, die hier samt Antwort (wenn vorhanden) gezeigt werden:
Die Elphi: Das Haus bedauert, dass es leider aus “guten Gründen” nicht möglich ist, Rollstuhlkarten online zu verkaufen.
Die Schlichtungsstelle: Kann leider nur aktiv werden, wenn Behörden der Bundesverwaltung beteiligt sind.
Die Senatskoordinatorin für die Gleichstellung behinderter Menschen: “Die beschriebene Problematik hinsichtlich der Onlinebuchung ist uns bekannt. Leider können wir in diesem Fall nicht für eine schnelle Abhilfe sorgen. Es besteht ein Arbeitskreis bzw. Runder Tisch „barrierefreie Hamburger Kulturstätten“. Dort nehmen neben vielen Theatern, Konzerthäusern und verschiedenen Behindertenverbänden auch wir teil. Das Thema wurde erörtert und wird auch weiterhin bearbeitet.”
Bundesfachstelle Barrierefreiheit: Empfiehlt, sich an die Antidiskriminierungsstelle des Bundes zu wenden.
Antidiskriminierungsstelle des Bundes: “Das Konzerthaus kann bei einem Onlinebuchungssystem nicht gewährleisten , dass Menschen Missbrauch mit den für den barrierefreien Zugang reservierten Plätzen treiben. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass es sich um keine Benachteiligung im Sinne des AGG handelt, wenn für Menschen mit Behinderung eine andere Form der Ticketbuchung angeboten wird. Das Erfordernis des Sendens einer E-Mail stellt keine Schlechterstellung zur Onlinebuchung dar.”
Theater Liberi schreibt auf Facebook:
Hallo liebes Team von Kiel Inklusiv,
ein guter Artikel, der auf ein sicherlich großes Problem hinweist!
Wir würden gerne Rolliplätze über die Onlinesysteme anbieten. Da wir aber bei über 350 Veranstaltungen mit insgesamt etwa 15 verschiedenen VVK-Systemen arbeiten, lässt sich das leider nur schwer handhaben.
Wir haben zudem leider auch schon die Erfahrung gemacht, dass, wenn die Plätze online verfügbar waren, nicht darauf geachtet wurde, dass es sich um Rolliplätze handelt und sich dort dann ein “Geher” den Platz gesichert hat. Das ist nicht nur ärgerlich, weil an diesem Platz dann gar kein Stuhl steht, sondern auch, weil die Anzahl der Rolliplätze meist begrenzt ist (dies schreibt die Halle bzw. der Brandschutz der Hallen vor) und somit noch weniger Plätze als ohnehin schon für Rollifahrer zur Verfügung stehen.
Zusätzlich ist es so, dass wir uns vor Missbrauch schützen möchten. Ein Rollifahrer hat ja auch immer die Berechtigung, kostenfrei eine Begleitperson mitzunehmen. Damit eben nicht jeder diese Freikarte einfach online drucken kann (wenn wir die Möglichkeit der Onlinebuchung von Rolliplätzen anbieten, wäre auch die Auswahl der Freikarte für die Begleitperson für alle möglich), haben wir uns dazu entschlossen, dass Rolliplätze nur über uns buchbar sind oder die örtlichen VVK-Stellen eine Freischaltung bei uns beantragen können.
Gerne würden wir es den Rollifahrern deutlich erleichtern, so dass eine Onlinebuchung möglich ist. Da wir uns aber letztlich nur in die Hallen einmieten und kein eigenes Haus haben und natürlich aufgrund der oben genannten Problematiken, ist dies für uns leider nicht so einfach möglich.
Wenn bei der online Buchung die Vorlage eines Behindertenausweises mit einem G verlangt wird, kann kein nicht berechtigter diesen Platz buchen. Das muss in der heutigen Zeit technisch möglich sein und damit, wäre das Problem gelöst.